An dem bundesweit einzigartigen Pilotprojekt sind auch Partner des Projekts InTherAKT beteiligt
Münster, 6. Dezember 2016. Bessere Erreichbarkeit, höhere Besuchsfrequenz und abgestimmte ärztliche und pflegerische Versorgung: Das sind die Eckpunkte der Versorgungsverträge, mit denen die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die ärztliche Versorgung in Altenheimen verbessern wollen. An dem Pilotprojekt beteiligt sind Ärztenetze aus fünf westfälischen Städten – darunter auch Münster. Knapp zwei Jahre nach dem Start zieht InTherAKT-Projektpartnerin Sonja Laag von der Barmer GEK eine erste Bilanz.
Das Problem ist seit langem bekannt: Die ärztliche Versorgung von Patienten in Altenpflegeheimen, die überwiegend durch Hausärzte erfolgt, ist nicht immer einfach. Unterschiedliche Arbeitsroutinen in den Altenpflegeeinrichtungen und der Ärzte führen häufig zu Herausforderungen in der Zusammenarbeit. Das erschwert die Kooperation aller Beteiligten – Arzt, Bewohner und Pflegepersonal. In fünf westfälischen Städten und Regionen – darunter auch Münster – soll eine seit 2014 laufende Vereinbarung der GKV mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) unter Einbeziehung von Arztnetzen hier Verbesserungen erproben. Neben Münster gehören Arztnetze in den Regionen Bünde, Marl, Lippe/Detmold und Unna zu den Pilotregionen. Gemeinsames Ziel ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bewohner bei gleichzeitiger Entlastung der beteiligten Berufsgruppen. Auch einige der bei InTherAKT teilnehmenden 14 Hausärzte und neun Altenhilfeeinrichtungen sind beteiligt. „Und auch in diesem Projekt konnten Nahtstellen bzw. auch Hindernisse in der Kooperation und Kommunikation identifiziert werden“, bringt Professor Jürgen Osterbrink, Projektleiter von InTherAKT, ein wesentliches Thema auf den Punkt.
„Die Erfahrungen aus den ersten zwei Jahren zeigen viele positive Ansätze, die in Zukunft aber noch weiter ausgebaut werden müssen, insbesondere die ärztliche Teambildung“, berichtet Sonja Laag, Leiterin Versorgungsprogramme der Barmer GEK und Partnerin im
Projekt InTherAKT. „Unser erklärtes Ziel ist, dass die niedergelassenen Ärzte sich zu Versorgerteams aus etwa 5 bis 7 Ärzten zusammenfinden und untereinander abstimmen, welches Team welche Pflegeeinrichtung betreut. Nur so kann eine verlässliche und qualifizierte Betreuung gewährleistet werden“. Für die Einrichtungen sei die Sicherstellung der Erreichbarkeit des Ärzteteams enorm wichtig. „Einige Netze arbeiten hier mit einer eigenen Telefonnummer, die jederzeit besetzt ist. Andere haben eine Mitarbeiterin eingestellt, die die Koordination übernimmt,“ berichtet die Expertin.
Historisch gesehen, betreuen Ärzte teilweise nur einzelne Patienten, dies dafür aber in mehreren Altenpflegeeinrichtungen, und fahren dafür zum Teil lange oder zeitaufwändige Strecken quer durch die Stadt oder über Land. Aufwand und Vergütung stehen bei diesem Einsatz in keinem adäquaten Verhältnis. Das hat über die Jahrzehnte dazu geführt, dass die Versorgung von Pflegeheimbewohnern für Ärzte mühevoll geworden ist bzw. teilweise eine Versorgung kaum mehr möglich ist. Demgegenüber steht die Entwicklung, dass die Bewohner in Pflegeheimen heute älter und oft weitaus kränker sind als noch vor 20 Jahren und einen komplexen medizinisch-pflegerischen Betreuungsbedarf haben. „Über ein interprofessionelles Versorgungsteam kann z.B. die von Altenpflegeeinrichtungen oft gewünschte erweiterte Rufbereitschaft an den Tagesrandzeiten bis 21 Uhr oder am Freitagnachmittag sichergestellt werden“, so Sonja Laag. Individuelle Kassenauswertungen zeigen, dass auch zu diesen Uhrzeiten noch Krankenhauseinweisungen erfolgen, die womöglich Folge einer unzureichenden Erreichbarkeit der Ärzte sind.
Die Besuchsfrequenz ist weiterer Vertragsbestandteil der Versorgungsverträge. Hier geht es auch um individuelle Bedürfnisse je nach Befund. „Während für manchen Altenheimbewohner zwei Besuche pro Quartal ausreichen, brauchen Patienten in der Sterbephase manchmal zweimal täglich persönliche Betreuung – und das von Ärzten, die sie auch kennen“, erklärt Dr. med. Ralf Becker vom Hausärzteverbund Münster. Das sicherzustellen erfordere einen hohen Aufwand auf Seiten der Ärzteschaft, der auch entsprechend honoriert werden müsse. Deshalb sei auch eine besondere Vergütung in den Versorgungsverträgen vereinbart. Ganz wichtig für das Pflegepersonal in den Altenhilfeeinrichtungen sei auch eine schnelle Situationseinschätzung im Krisenfall, ergänzt Prof. Jürgen Osterbrink, Projektleiter von InTherAKT: „Wir müssen sicherstellen, dass die Mitarbeiter dort sofort eine Rückmeldung bekommen, wenn sie bei einem Bewohner Auffälligkeiten beobachten. Auch deshalb haben wir unser Projekt mit den neuen Versorgungsverträgen verzahnt, die auch diese Thematik zum Inhalt haben.“