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6. September 2017

Bilanz: Medikamente werden jetzt viel besser vertragen

In Extremfällen konnte auf bis zu 5 Arzneimittel verzichtet werden / Online-Plattform und gemeinsame Schulungen brachten den Durchbruch

Münster, 06 September 2017. Der gemeinsame Therapie-Check mit dem Apotheker sollte Standard werden“. So lautet das Fazit von Dr. Peter Münster. Der Hausarzt ist einer von 15 Ärzten, die beim Projekt InTherAKT daran gearbeitet haben, die Medikation von Altenheimbewohnern zu verbessern. 22 Monate nach dem Start ziehen die Beteiligten jetzt ihre Schlussbilanz. In Einzelfällen wurden bis zu 5 Medikamente gestrichen. Übermedikation konnte generell vermieden werden. Möglich wurde die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegepersonal durch eine Online-Plattform, die inzwischen zum Patent angemeldet ist. Die Ergebnisse des münsterischen Projektes, an dem 15 Hausärzte, zehn Altenheime und 12 heimversorgende Apotheken teilnahmen, gelten in Fachkreisen schon jetzt als bedeutsam für die Zukunft der Altenpflege.

In dem seit Anfang 2016 laufenden Projekt wurde die Arzneimittelversorgung bei rund 90 Patienten gemeinsam durch Ärzte, Apotheker und Pflegende überprüft und optimiert. Es wurden verschiedene Probleme in den Medikationen der Altenheimbewohner erkannt. Teilweise fehlten klare Anweisungen zum richtigen Vorgehen. Teilweise wurden durch Austausch eines unverträglichen Medikamentes gefährliche oder unangenehme Nebenwirkungen verringert. Das Befinden vieler Teilnehmer besserte sich dadurch spürbar. Gerade bei Patienten, die vorher sehr viele Medikamente einnehmen mussten, waren die Erfolge besonders beeindruckend. Als bezeichnend erwies sich, dass fast alle Patienten bei mehreren Ärzten in Behandlung waren und die Hausärzte über die online-Plattform zeitnah und im Überblick alle Verordnungen miteinander abgleichen konnten.

„Ich hatte einen Fall, bei dem ich von 13 auf acht Medikamente reduzieren konnte, weil ich auch Einblick in die Daten von Altverordnungen durch andere Ärzte hatte“, berichtet Dr. Münster. Vor dem Hintergrund, dass rund 30 Prozent aller Krankenhauseinweisungen bei alten Menschen auf Arzneimittelunverträglichkeiten zurückzuführen seien, sei eine ständige kritische Überprüfung gerade bei alten Menschen sehr wichtig. Der Hausarzt behandelt im Maria-Hötte-Stift rund 40 Patienten und ist mindestens einmal wöchentlich vor Ort.

Projektleiter Professor Jürgen Osterbrink bewertet die Gesamtbilanz des Projektes als richtungsweisenden Erfolg. „Rein statistisch gesehen haben wir die Gesamtmedikation über alle Teilnehmer um 25 Prozent verbessern können, in Einzelfällen sogar um 60%“, erläutert InTherAKT Projektleiter Prof. Jürgen Osterbrink. Das sei jedoch ein rein statistischer Mittelwert mit Ausreißern nach oben und unten. „Der durchschnittliche Altenheimbewohner in Münster nimmt pro Tag etwa 12 Medikamente ein, vor allem gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Depression oder Inkontinenz.“ Gerade bei den Patienten, die besonders viele Verordnungen hatten, konnte nicht selten die Zahl reduziert werden. Bei allen anderen wurde vor allem die Kombination der verschiedenen Arzneimittel von den Hausärzten nach einer kritischen Überprüfung durch die beteiligten Apotheker optimiert.

„Wir konnten in diesem Projekt unsere ganze Kompetenz einbringen, weil wir direkten Zugriff auf alle Diagnosen und Verordnungen der Patienten hatten“, berichtet Apothekerin Martina Beining von der Apotheke am Clemenshospital. Diese seien Grundlage für eine detaillierte Analyse möglicher Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten. „Gerade wenn Patienten mit chronischen Krankheiten jahrelang Folgerezepte bekommen und dann neue Krankheiten hinzukommen, ist eine umfassende Risiko-Bewertung wichtig.“ Auch das Körpergewicht, Alter etc. seien wichtig für die Analyse. „Es war sehr hilfreich, auch diese Daten zur Verfügung zu haben, denn so konnten wir nicht selten gemeinsam mit dem behandelnden Hausarzt kritische Wirkstoffkombinationen durch besser verträgliche ersetzen“, so die Expertin.

Möglich wurde diese Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen durch eine Online-Plattform, die inzwischen zum Patent angemeldet wurde. „Die Vorteile der Plattform liegen auf der Hand“, erläutert Prof. Osterbrink. „Alle beteiligten Berufsgruppen konnten jederzeit und passend zu ihrem Arbeitsalltag die Datenlage analysieren, ihre Bemerkungen machen oder Änderungsvorschläge einbringen.“ Dadurch konnten zum Teil gravierende Arzneimittel-Risiken eliminiert werden.

Für die beteiligten Pflegenden war vor allem die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den beteiligten Ärzten und Apothekern sehr wertvoll. „Wir sind tagtäglich mit den Patienten zusammen und sehen am schnellsten Änderungen des Befindens“, erklärt Manuela Kuhnert den Stellenwert der Pflege. Bei InTherAKT hat man unsere Beobachtungen, die ebenfalls in der Online-Plattform verfügbar waren, sehr ernst genommen“. Das sei gut für die Patienten, aber auch sehr motivierend für das Personal.

„Wir haben im Projektverlauf auch Dinge identifiziert, die in der Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheker und Pflegepersonal verbesserungswürdig sind,“ bilanziert Projektleiter Osterbrink. Zu nennen seien hier beispielsweise die Vereinheitlichung der Dokumentation in der Pflege, die Zusammenarbeit der Ärzte verschiedener Fachgruppen oder der regelmäßige Austausch zwischen Arzt und Apotheker. Die gemeinsamen Schulungen hätten jedoch das Verständnis füreinander sehr gefördert. „Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Der Patentschutz der Online-Plattform ist für uns ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, dieses System für die Zukunft der Altenpflege weiter zu etablieren.“

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Hausarzt Dr. Peter Münster (Mitte) betreut rund 40 Patienten im Maria-Hötte-Stift. Gemeinsam mit einem Pfleger befragt er Bewohnerin Maria Schäfer, um mögliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu verminden.

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